Abstract
Zur Überwindung der „schreienden sozialen Ungerechtigkeit“, mit der die Währungsunion finanzökonomisch begründete Austeritäts- und Reformzwänge durchsetzt, fordert Habermas die Übertragung weiterer Hoheitsrechte auf die Union und einen „Politikwechsel zugunsten der solidarischen Bewältigung“ der Krise. Unter den Bedingungen der Währungsunion sprechen allerdings ökonomische Argumente gegen die Wirksamkeit einer solchen Politik. Vor allem aber setzt sie die Legitimität einer supranationalen europäischen Demokratie voraus, die in der Lage sein müsste, fundamentale politische Konflikte auszutragen und zu entscheiden. Habermas will diese aus dem Konstrukt einer doppelten Souveränität der Gesamtheit der europäischen Bürger und der demokratisch verfassten europäischen Völker ableiten. Unter demokratietheoretischen Kriterien impliziert die doppelte Souveränität aber supermajoritäre Entscheidungsregeln zum Schutz der legitimen Diversität der Mitgliedsvölker. Dies würde jedoch die institutionellen Konsenszwänge der europäischen Politik reproduzieren, die eine supranationale europäische Demokratie aus Habermas’ Sicht gerade überwinden müsste. In Habermas’ view, the “screaming injustice” of present euro-rescuing measures must be overcome through a further transfer of sovereignty to the Union and a commitment to the solidaristic resolution of the present crisis. In economic terms, unfortunately, such policies may be counterproductive as long as the Monetary Union is maintained. In any case, however, Habermas assumes that they must depend on the legitimacy of a supranational European democracy which is effectively able to resolve fundamental political conflicts. Such legitimacy, he proposes, may be derived from the construct of a dual basis of European sovereignty, rooted in the totality of individual European citizens and of European peoples organized as democratic states. In terms of democratic theory, however, dual sovereignty also implies supermajoritarian decision rules protecting the legitimate diversity of member polities - which would reproduce the institutional constraints of consensus politics which supranational democracy is supposed to overcome. Zur Überwindung der „schreienden sozialen Ungerechtigkeit“, mit der die Währungsunion finanzökonomisch begründete Austeritäts- und Reformzwänge durchsetzt, fordert Habermas die Übertragung weiterer Hoheitsrechte auf die Union und einen „Politikwechsel zugunsten der solidarischen Bewältigung“ der Krise. Unter den Bedingungen der Währungsunion sprechen allerdings ökonomische Argumente gegen die Wirksamkeit einer solchen Politik. Vor allem aber setzt sie die Legitimität einer supranationalen europäischen Demokratie voraus, die in der Lage sein müsste, fundamentale politische Konflikte auszutragen und zu entscheiden. Habermas will diese aus dem Konstrukt einer doppelten Souveränität der Gesamtheit der europäischen Bürger und der demokratisch verfassten europäischen Völker ableiten. Unter demokratietheoretischen Kriterien impliziert die doppelte Souveränität aber supermajoritäre Entscheidungsregeln zum Schutz der legitimen Diversität der Mitgliedsvölker. Dies würde jedoch die institutionellen Konsenszwänge der europäischen Politik reproduzieren, die eine supranationale europäische Demokratie aus Habermas’ Sicht gerade überwinden müsste. In Habermas’ view, the “screaming injustice” of present euro-rescuing measures must be overcome through a further transfer of sovereignty to the Union and a commitment to the solidaristic resolution of the present crisis. In economic terms, unfortunately, such policies may be counterproductive as long as the Monetary Union is maintained. In any case, however, Habermas assumes that they must depend on the legitimacy of a supranational European democracy which is effectively able to resolve fundamental political conflicts. Such legitimacy, he proposes, may be derived from the construct of a dual basis of European sovereignty, rooted in the totality of individual European citizens and of European peoples organized as democratic states. In terms of democratic theory, however, dual sovereignty also implies supermajoritarian decision rules protecting the legitimate diversity of member polities - which would reproduce the institutional constraints of consensus politics which supranational democracy is supposed to overcome. Die Zeitschrift Leviathan ist der Idee sozialwissenschaftlicher Aufklärung und Kritik verpflichtet. Sie veröffentlicht aktuelle Forschungsbeiträge und Debatten zu Themen aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Philosophie, Recht und Gesellschaft. Sie richtet sich an eine breite Leserschaft aus Lehre und Forschung, Politik und Verwaltung, Publizistik und Medien. Im Zeichen eines methodologischen, disziplinären und politischen Pluralismus schlägt sie Brücken zwischen Theorie, Empirie und politischer Praxis. Homepage: www.leviathan.nomos.de The journal Leviathan devotes itself to enlightenment and criticism in the social sciences. It publishes current research and debate on topics drawn from politics, culture, economics, philosophy, law and society. The journal is read by practitioners from academic research and education, politics and administration as well as communication and media. With its cross-disciplinary and cross-methodological approach it bridges the gap between theory, empirical evidence and political practice. website: www.leviathan.nomos.de