Abstract
Müdigkeit, in der Onkologie nun auch hierzulande oft Fatigue genannt, ist heute allgemein anerkannt als eines der häufigsten und belastendsten Symptome bei krebskranken Menschen. Während die kausalen Zusammenhänge mehrheitlich unklar bleiben, ist das Konzept zwischenzeitlich als ein multidimensionales Phänomen erforscht worden. Die Komplexität zeigt sich nicht nur in der Vielschichtigeit der Manifestationen und Ursprünge, sondern auch in der Schwierigkeit, Müdigkeit zuverlässig messen zu können. Erst in den letzten Jahren wurden einige Messinstrumente, vorwiegend in englischer Sprache, entwickelt. Ziel dieser Arbeit ist die Beschreibung der Entwicklung des neuen Messinstrumentes «Fatigue Assessment Questionnaire» in deutscher Sprache. Die folgenden Schritte werden beschrieben: 1. Konzeptanalyse, 2. Identifikation der Messkriterien, 3. Vergleich der Messkriterien mit der Literatur, 4. Konstruktion der Messskala, 5. Testung des Instrumentes, 6. Anwendung in einer großen Studienpopulation. Während in den Schritten 5 und 6 die Testung der Validität und Reliabilität im Vordergrund stehen, wird im Schritt 6 gleichzeitig die Hypothese geprüft, dass bestimmte Krebsformen und Stadien mit unterschiedlicher Müdigkeits-Intensität einhergehen. Schlussfolgerungen: Die Validität der Messkriterien im Fatigue Assessment Questionnaire ergibt sich mehrheitlich daraus, dass die Inhalte von Krebspatienten in den Interviews selber definiert wurden. Die erste Anwendungsstudie mit 77 Krebskranken und 77 gesunden Personen führte zu kleineren Anpassungen, und in der letzten, prospektiven Studie mit 592 Krebspatienten erwies sich der Fatigue Assessment Questionnaire als zuverlässig. Dies wurde auch durch die Unterscheidung zwischen verschiedenen Populationen bestätigt. Die Faktorenanalyse bestätigte das frühere Modell der physischen, affektiven und kognitiven Müdigkeit. Die interne Konsistenz des Fragebogens als Ganzes wurde mit einem Alpha-Koeffizient von 0.90 (Cronbach) unterstützt. Ein Unterschied zeigte sich in der physischen Müdigkeit zwischen den verschiedenen Krebsarten (p = 0.0008), jedoch nicht in der affektiven und kognitiven Müdigkeit. Patienten mit fortgeschrittenen Krebskrankheiten wiesen, im Vergleich zu Patienten in Remission, weit höhere Müdigkeitsmanifestationen auf, sowohl in der physischen (p = 0.0001), affektiven (p = 0.01), kognitiven (p = 0.02) Dimension als auch bezüglich Intensität (p= 0.0001) und Distress (p = 0.0001). Auch empfanden diese Patienten weit mehr Depressions- und Angstgefühle (p = 0.0001). Der Fatigue Assessment Questionnaire, der in der deutschsprachigen Schweiz entwickelt wurde, kann für weitere Aktivitäten im Bereich der Lebensqualität und Pflege Krebskranker Anwendung finden. Das Instrument sowie ein Scoring System sind der Arbeit als Anhang beigefügt.