Abstract
Professor Joachim Hassenpflug erklärt, warum Deutschland endlich ein Endoprothesenregister braucht. Der Direktor der Klinik für Orthopädie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel ist Beauftragter der DGOOC zu diesem Thema. Professor Dr. med. Joachim Hasenpflug Herr Prof. Hassenpflug, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat eine Entscheidung über das Thema Endoprothesenregister im November erneut verschoben ... Ja und ich hoffe sehr, dass es noch dieses Jahr zu einem Beschluss kommt. Es darf nicht sein, dass der Ball weiter zwischen den Interessengruppen im G-BA hin und her gespielt wird. Wir schulden es unseren Patienten. Wieso hin und her gespielt? Schon seit 2004 liegt beim G-BA ein Konzept auf dem Tisch – erarbeitet von der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS). Wir Orthopäden und Unfallchirurgen fordern die Einrichtung solch eines Registers bereits seit den 1990er Jahren. Wir könnten es eigentlich längst haben. Warum ist das Register nötig? Es geht um bestmögliche Langzeitqualität bei künstlichen Hüft- und Kniegelenken. 90 Prozent dieser Endoprothesen halten heute im Patienten zehn Jahre, 80 Prozent 15 Jahre... das ist ein ordentlicher Standard. Wir könnten aber besser sein. Wir haben Hunderte an verschiedenen Modellen am Markt und können nicht sagen, welches die besten sind. Das ist ein Riesenmanko. Unsere Patienten fragen uns danach, wir sind ihnen das Register schuldig. Warum kann ein Endoprothesenregister die Datenlücke schließen? Indem es für jeden Patienten über Jahrzehnte hinweg dokumentiert, wann und wo er sein Kunstgelenk austauschen lässt – wir sprechen von Revisionen oder Wechsel-Operationen. ...und so im Laufe der Zeit jene Modelle auffallen und vom Markt verschwinden, die weniger gut halten? Ja. Den Erfolg sehen wir in Schweden. Dort gibt es ein Register seit 1979. Bezogen auf die Zahl der Erstimplantationen sinkt dort die Zahl der Wechsel-Operationen jährlich um etwa drei Prozent. Können Sie nicht auf diese Daten zurückgreifen? Kaum. Es gibt auch Register in Finnland, Norwegen und Australien, aber die Daten sind oft nicht übertragbar. Es gibt Ansätze, freiwillig solche Register an einzelnen Kliniken aufzubauen. Was halten Sie davon? Ganz wenig. Die Datengrundlage reicht nicht. Sie können dann immer nur Aussagen zu den Kliniken machen, die teilnehmen. Und was ist mit Daten aus Studien? Bis vor kurzem reichte für die Zulassung der Modelle eine technische Prüfung. Die Anforderungen sind jetzt durch das Medizinproduktegesetz zwar verschärft worden, die Firmen müssen jetzt alle fünf Jahre neue klinische Zahlen vorlegen. Wir wissen aber, dass Daten aus Studien sehr oft von denen aus Registerdaten abweichen, meist deutlich optimistischer sind. Meist wird da eine ausgewählte Gruppe von Patienten betrachtet. Das ist eine klassische Fehlerquelle. Wie soll das Endoprothesenregister funktionieren? Wir haben bei der externen Qualitätssicherung in den Krankenhäusern heute bereits ein System, worum uns viele beneiden. Dabei werden ja bislang schon auch einige Daten zu Endoprothesen erfasst, etwa die Rate an Wundinfekten. Auf dieses System könnte man das Register leicht aufsatteln, Ärzte und Krankenhäuser müssen nur einige weitere Angaben zur Person und zur Prothese machen. Und dann muss das Register später eine Verknüpfung der Daten ermöglichen, wenn sich jemand einer Wechsel-Operation unterzieht. Für Schweden offenbar kein Problem? Ein Aspekt ist dort leichter. Dort hat jeder Bürger eine Identifikationsnummer, die ihn lebenslang begleitet. Damit kann man immer alles zusammen führen. Bei uns ist der Datenschutz ein wichtiges Thema. Und was sieht das BQS-Konzept von 2004 dafür vor? Eine zentrale Sammelstelle würde die Daten speichern, zugleich aber pseudonomysieren. Wer leistet das? Das kann ein Trust-Center übernehmen. Dafür gibt es Firmen. Das Konzept steht offenbar, woran klemmt es? Gibt es Gegner des Registers im G-BA? Es gibt Gruppierungen, die da eine gewisse Zurückhaltung gegenüber gewissen Aspekten haben. Geht das etwas konkreter? Es gibt keine prinzipiellen Gegner. Vielmehr stehen organisatorische Argumente im Vordergrund. Nach dem Motto: Wir wollen das, aber anders. Die Krankenkassen müssten ein Interesse daran haben, dass ihre Versicherten Prothesen mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis erhalten? Ja, aber mitunter argumentieren sie, sie könnten die Zahlen auch aus Routinedaten lesen. Aus Abrechnungsdaten? Wie das? Ich sehe das nicht. Die enthalten zwar im besten Fall Informationen, wann ein Patient zur Wechsel-Operation geht. Aber sie haben keine Angaben über den Prothesentyp. Mir scheint eher, dass die Kassen Angst haben, eine Machtposition mit ihren Routinedaten aus der Hand zu geben. Da wird gepokert. Und die Krankenhäuser.. Für die wäre das Register ein Riesengewinn, wenn sie mit guten Langzeitdaten werben könnten. Und der organisatorische Mehraufwand im Krankenhaus wäre meiner Meinung nach minimal. Die Hersteller..? Haben uns erklärt, dass sie sofort mit dem Aufbau einer Produktdatenbank starten, wenn das Register beschlossen ist. Motto: Wenn alle mitspielen, spielen wir auch mit. Scheitert das Register dann womöglich an den Kosten? Nein, wir würden damit finanziellen Gewinn machen, jährlich so an die 45...