Abstract
Über das Wirken eines langfristig so produktiven Intellektuellen wie Immanuel Wallerstein lässt sich alleine dadurch viel schreiben, dass man seine zahlreichen Veröffentlichungen, Auszeichnungen, Wirkungsstätten, Vorsitze akademischer Gesellschaften oder Sprachen, in die seine Arbeiten übersetzt wurden, aufzählt. Mindestens so bezeichnend für sein Lebenswerk wie die Summe dieser Teile ist jedoch das, was dieses Werk nicht war und laut Wallerstein selbst auch nicht sein sollte: Seine Weltsystemanalyse, vor 35 Jahren mit dem Erscheinen des ersten von vier Bänden des ,,The Modern World-System“ bekannt geworden, sollte eine Perspektive sein und keine Theorie; kein neues Paradigma historischer Sozialwissenschaften, sondern ein Aufruf zur Debatte über das Paradigma selbst; kein Teilgebiet der Soziologie, sondern ein Aufruf zur Umstrukturierung von Sozialwissenschaften insgesamt. Wallerstein hat sich selbst immer als Rebell angesichts herrschender Orthodoxien bezeichnet – und so wollte er auch die Weltsystemanalyse als eine Reihe von politischen Protesten gegen die gängigen sozialwissenschaftlichen Annahmen seiner Zeit verstanden wissen, allen voran die Modernisierungstheorie.